Systemische
Supervision für Lehrerinnen und Lehrer
Die Anforderungen an die Schulen werden
immer höher und damit auch an die dort Arbeitenden: LehrerInnen
sind davon ebenso betroffen wie SchulleiterInnen, ErzieherInnen,
SozialpädagogInnen. Dass dem so ist, ist mittlerweile
zum Allgemeinplatz geworden. Wie bei anderen Organisationen
werden auch im Schulsystem relevante Entwicklungen durch gravierende
Veränderungen in den wichtigen Umwelten ausgelöst:
seien es neue gesetzliche Grundlagen, die „PISA"-Studie,
Veränderungen auf „Kundenseite" (Schüler
und Eltern) etc. Gleichzeitig unterscheidet sich das System
„Schule“ signifikant von anderen Organisationen
aus dem Wirtschafts- und Verwaltungsbereich. Das System Schule
zeichnet sich durch eine Reihe bestimmender Differenzen aus,
die in dieser Form in keiner anderen Organisationsform zum
Tragen kommen. Ich möchte drei herausgreifen:
•
Differenz der Generationen
In der Schule verwirklicht sich der Grundwiderspruch zwischen
den Generationen. Diese bekannte und banale Tatsache bestimmt
die tägliche Arbeit und kennzeichnet die typischen Belastungs-
und Stresssituationen. Widerspruch und Konflikt sind daher
an der Tagesordnung und gehören zum ganz normalen Geschäft.
LehrerInnen sind während ihrer gesamten Berufslaufbahn
(notwendiger) „Reibebaum“ für ihre Schüler
und stehen dabei auch selbst in einem Rollenkonflikt: Als
Wissensvermittler und Erzieher sind sie Anwälte der Erwachsenenwelt
gegenüber den Heranwachsenden, sie müssen die SchülerInnen
mit den Anforderungen der Gesellschaft konfrontieren und in
diese einführen. Gleichzeitig sind sie aber ebenso Anwälte
der Kinder und Jugendlichen gegenüber den Zwängen
und Anforderungen der Erwachsenenwelt sollen sie ihnen doch
ermöglichen, sich nach ihren Regeln zu entwickeln, ihr
eigenes Potential zu entfalten und ihre eigene Identität
auszubilden.
•
Die Potenzierung des Unmöglichen: das Steuern individuellen
Lernens in
kollektiven
Strukturen
Die "Produkte" von Schulen sind Lernprozesse.
Die Leistungen der Schule beruhen in besonders hohem Maße
auf dem persönlichen Können, der persönlichen
Verfassung und der persönlichen Bereitschaft jedes einzelnen
Lehrers bzw. jeder einzelnen Lehrerin. Das Produkt ihrer Arbeit
- "Lernprozesse" - ist ausgesprochen schwer messbar
und nicht linear herstellbar. Ob Lernen in den Köpfen
der Schüler passiert, wird von den Schülern entschieden;
LehrerInnen sind auf eine hohe Kooperationsbereitschaft der
Schüler angewiesen. Schulisches Lernen geschieht nicht
durch den Lehrer, jedoch auch nicht ohne ihn. Hauptthema der
Lehrerprofession ist das "Management" der Schulklasse
bzw. des Unterrichts als soziales System. Sind schon Lern-
und Entwicklungsprozesse beim Individuum reichlich komplex,
so potenziert sich die Komplexität, wenn man eine ganze
Schar von Individuen vor sich hat. Die Maßnahmen der
Lehrenden beziehen sich immer - geplant oder ungeplant - auf
Personen und das soziale System zugleich (doppelte Systemreferenz).
•
LehrerInnen als "Solisten" und Organisationsmitglieder
Als wären die bis hierhin skizzierten Anforderungen nicht
schon anspruchsvoll genug, tritt zusehends eine weitere Herausforderung
hinzu: LehrerInnen sollen nicht nur lehren, sondern auch noch
als Organisationsmitglieder ihre eigene Institution fortentwickeln
(innere Schulreform). Einerseits ist Schule eine durch Gesetze
und Erlasse hoch kodifizierte Einrichtung und damit überdeterminiert,
andererseits bietet sie bislang wenig an organisationsinterner
Binnenstrukturierung und erscheint insofern unterdeteminiert.
In diesem Spannungsfeld (glänzender Solist im Unterricht
und erfolgreicher team player) geht (das Erleben von) Handlungsfähigkeit
leicht verloren: Alle wollen was von einem und alle wollen
etwas Unterschiedliches; was man auch tut, es scheint nie
genug zu sein. Die Strukturen, die dies erst möglich
machen würden, muss/soll man auch noch selbst erschaffen.
Wie funktioniert eigentlich Organisationsentwicklung?
SYSTEMISCHE SUPERVISION
als Mehr-Ebenen-Beratung für einen "unmöglichen"
Beruf Die kurze Skizze der prinzipiellen Schwierigkeiten
des Lehrerberufs markiert auch den Bedarf an beraterischer
Unterstützung für die Arbeitenden in diesem Bereich.
Unter dem Oberbegriff SUPERVISION versteht man gemeinhin Weiterbildungs-,
Beratungs, und Reflexionsverfahren für berufliche Zusammenhänge.
Das allgemeine Ziel der Supervision ist es, die Arbeit der
SupervisandInnen zu verbessern. Damit sind sowohl Arbeitsergebnisse
als auch Arbeitsbeziehungen zu den KollegInnen, Vorgesetzten
und "Kunden" wie auch organisatorische Zusammenhänge
gemeint. Systemische Supervision versucht diese unterschiedlichen
Systemebenen in ihrer wechselseitigen Bedingtheit zu erfassen
und angemessene (umsetzbare!) Lösungen zu entwickeln.
Entgegen der obigen abstrakten Darstellung bezieht sich die
Supervision immer auf die konkreten, einzigartigen Bedingungen
der Arbeit und wie sie sich im Erleben, Denken, Fühlen
und Handeln der jeweiligen LehrerInnen widerspiegeln. Je nach
Betrachtungsebene kommt es dabei zu unterschiedlichen, "typischen"
Supervisionsthemen
und -anliegen:
Die individuelle Ebene
*Unter- und Überforderung *Stress und
Coping *Burn-out-Prophylaxe *Handlungs(un)möglichkeiten
*Ängste *Professionelles Selbstverständnis *Freude
an der eigenen Arbeit *Ressourcen *...
Die Dyade LehrerIn - SchülerIn
*Fördern und Fordern *Nähe-Distanz-Regulation *Aggressionen
*...
Arbeitsbeziehungen I: Lehrer
und das soziale System "Unterricht"
*Autorität(sverlust) *Individualität vs Kollektivität
*Wissensvermittlung und soziale Kompetenz *Konflikte *Gewalt
*Gerechtigkeit *neue Unterrichtsformen *Grenzen setzen *Kontrolle
vs Selbstverantwortung *Kommunikation *...
Arbeitsbeziehungen II: KollegInnen
und Vorgesetzte
*gestörte und versiegende Kommunikation *Konflikte mit
KollegInnen und Vorgesetzten *Kränkungen *Mobbing *Konkurrenz
*Vereinzelung *Ablehnung und Wertschätzung *...
Die organisationale Ebene
*Möglichkeiten und Grenzen von Teams *kooperative Strukturen
*Arbeitsteilung *Kontrolle und Autonomie *Binnenstrukturierung
*eigene Positionierung *Entwicklung geeigneter Kommunikations-
und Besprechungsstrukturen *...
Supervisionsformen
Supervision kann in verschiedenen Settings stattfinden; prinzipiell
ist jedes Setting auch für LehrerInnen geeignet. Die
Auswahl des "richtigen" Settings richtet sich nach
den bestimmenden Fragestellungen und nach Ihren persönlichen
Vorlieben.
Einzelsupervision
Vorteile: *geringere Hemmschwelle,
persönlich Bedeutsames anzusprechen *Fokussierung auf
eigene Fragestellungen
Nachteil: *Kosten werden
alleine getragen
Gruppensupervision
(mit LehrerInnen aus verschiedenen Schulen)
Vorteile: *höhere Problemlösekapazität
durch Mehrperspektivität *größere Vielfalt
von Erfahrungen und Kompetenzen im Umgang mit schwierigen
Situationen *Austausch *Kostenteilung etc.
(mit LehrerInnen aus einer Schule)
Vorteile: *wie oben *zusätzlich:
gemeinsamer Erfahrungshintergrund
Nachteil: *Gefahr der informellen
Cliquenbildung und Ablehnung durch nicht teilnehmende KollegInnen
"Team"-Supervision
Besonderheiten: *nur sinnvoll
für LehrerInnengruppe, die eine gemeinsame Arbeitsaufgabe
hat (oder demnächst haben wird) *erfordert möglichst
klaren Arbeitsauftrag für das Team und die Supervision
durch die Schulleitung *Teambildung, Auftrag, Funktion müssen
dem übrigen Kollegium transparent gemacht werden
Vorteile: *Maßnahmen
können direkt umgesetzt werden *Erprobung von Kooperations-
und Kommunikationsstrukturen *Alltagsnähe etc.
...
und wenn mir das alles nichts bringt?
Dann hören Sie einfach wieder damit auf. Einfach so.
Supervision ist freiwillig und keine Zwangsveranstaltung (und
kein Zeitschriftenabo...). Sie machen genau so lange Gebrauch
davon, wie Sie das Gefühl haben, davon zu profitieren.
Dauer, Frequenz und Inhalte werden von Ihnen bestimmt.
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